Standort Weimar / Station Bertuchhaus

Ein Kontor im Herzen Weimars 

Heute sind Zeitungen und Bücher eine Selbstverständlichkeit. Aber erst mit der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg in der Mitte des 15. Jahrhunderts wuchs die Nachfrage nach Papier. Das herzoglich-sächsische Weimar verfügte ab 1546 über eine Papiermühle. Der Papierbedarf stieg allerdings erst mit der Verbreitung des Zeitungslesens stark an. Die erste Weimarer Zeitung, die „Weimarischen Nachrichten und Anfragen“, erschien 1734. Die Zahl der Buchdruckereien, der Buchbindereien und der Verlage vergrößerte sich im klassischen Weimar, vor allem im 19. Jahrhundert. Schließlich wurde das Druck- und Verlagsgewerbe sogar zur stärksten Branche der Stadt. Die Weimarer druckten auch Spielkarten, Atlanten und sogar Tapeten. Die Entwicklung des Druck- und Verlagswesens profitierte natürlich von der Nähe zu den klassischen Dichtern und Denkern. Ein Name war in jener Zeit von besonderem Klang: Friedrich Justin Bertuch (1747–1822). Seine Karriere begann als Übersetzer spansicher, englischer und französischer Literatur. Später gab er Zeitschriften wie die „Allgemeine Literatur-Zeitung“ und das „Journal des Luxus und der Moden“ heraus. Zwischenzeitlich gründete er eine Fabrik für Kunstblumen und begab sich auch in Staatsdienste. Sogar die Gründung einer Zeichenschule durch den Weimarer Herzog hatte er initiiert. Das Bertuchhaus entstand von 1780 bis 1782 als Abschluss des dem Verleger bereits in Erbpacht gehörenden Fürstlichen Baumgartens. Es war sein erstes Wohn- und Kontorhaus und ist der heutige Nordflügel der Anlage. Die vom Bauherrn maßgeblich beeinflussten Entwurfspläne lieferte der Baukondukteur Johann Friedrich Rudolph Steiner. Das barock wirkende, zweigeschossige Gebäude wurde axial auf einen kleinen See, den heutigen Weimarhallenteich, ausgerichtet und war in seiner Disposition auf den Garten bezogen. Die Wohnräume lagen im Westen; ein Gartenzimmer war über eine Terrasse mit dem Baumgarten verbunden. Wirtschafts- und Nebenräume befanden sich im zur Straße hin orientierten Teil.


1791 gründete Bertuch das Landes-Industrie-Comptoir, ein Kontor also, eine Handelsniederlassung. Dieses Geschäft fungierte zuvorderst als Verlag für Zeitungen und andere Druckschriften. Der Platzbedarf stieg und stieg. Von 1799 bis 1803 wurde deshalb das Haus in mehreren Etappen erweitert - um einen klassizistischen Mittelbau und einen Südflügel, der den barocken Nordflügel duplizierte. Letztlich entstand ein fünfteiliger, axialsymmetrischer Komplex von etwa 90 Metern Länge. Das neue Gebäude ermöglichte Bertuch, seine bisher in der Stadt verstreuten Geschäfts- und Gewerberäume zusammenzufassen. Anbauten nahmen Pferdeställe, Remisen, Gewächshäuser und Kutscherwohnungen auf, aber auch Werkstätten, Druckpressen und Lager. Die Verbindung zum Vorderhaus stellten Seitenflügel her. Letztlich entstand durch diese Bauweise ein geräumiger Wirtschaftshof. Bertuchs einstiger Privatgarten war nach 1900 Ausgangspunkt der Planungen für einen neu anzulegenden Volkspark mit einer Stadthalle. Dieses wurde1932 in Vorbereitung der Feierlichkeiten zu Goethes 100. Todestag als Weimarhalle umgesetzt. Dadurch ging der einstige Zusammenhang von Bertuchhaus und Parkanlage gänzlich verloren. Bereits mit dem Baubeginn 1928 mussten einige Wirtschaftsgebäude aus Bertuchs Zeit abgerissen werden.

Das Bertuchhaus war nach 1933 zeitweilig Hauptsitz der Thüringer NS-Gauleitung. Später wurde das Gebäude von Ämtern, für Wohnzwecke sowie als Büroraum eines Zeitungsverlages genutzt. Seit 1954 befindet sich hier das Stadtmuseum. Das Gebäude wurde von 1990 bis 1998 grundlegend restauriert. Besucher, die ganz genau hinschauen, entdecken manch schönes Detail. So ist am Mittelteil als Putzrelief ein Bienenkorb dargestellt, flankiert von Füllhörnern mit Blumen. Der Bienenkorb steht für unternehmerischen Fleiß und Mobilität, die Füllhörner symbolisieren Glück, Überfluss und Fruchtbarkeit. Im Inneren entdeckt man in einer Blattrosette Merkur, den antiken Gott des Handels. Alles zusammen vereinte Bertuch wie kaum ein anderer seiner Zeit in Weimar.

 

Das Bertuchhaus steht in der Karl-Liebknecht-Straße, nur wenige Schritte neben dem Weimarer Goetheplatz. Es beherbergt das Stadtmuseum.


Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 17 Uhr

www.stadtmuseum.weimar.de

 

Außenansicht des Bertuchhauses
Außenansicht des Bertuchhauses
Büste von Bertuch
Büste von Bertuch
Ansichten aus einem Bilderbuch
Ansichten aus einem Bilderbuch
Säugetiere im Bilderbuch
Säugetiere im Bilderbuch
Abbildungen Fische
Abbildungen Fische
Anatomische Ansicht eines Kopfes
Anatomische Ansicht eines Kopfes
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