Vom Kaufmann zum Fabrikanten

Lingel-Schuhe aus Erfurt überzeugten um die Jahrhundertwende weltweit

Der schöne Industrie-Fachwerkbau steht heute noch an der Erfurter Ausfahrtstraße in Richtung Arnstadt. Die Frage ist, wie lange noch. 1872 kam der Kaufmann Eduard Lingel (geboren 1848) aus Königsberg in Franken nach Erfurt, um hier ein eigenes Geschäft zu eröffnen.

Chroniken berichten, dass Lingel schon von Beginn an die Fabrikation von Schuhen betrieb. Er fing wie fast alle Großen klein an: In seinem Wohnhaus zum Krummen Hecht am Fischersand 9 begann er in vier Mini-Produktionsräumen mit gerade mal 5 Arbeitern. Bescheiden auch die Maschinen-Ausstattung beim Start: eine Doppelstanze und eine Durchnähmaschine. Rund 50 Heimarbeiter waren in den Herstellungsprozess einbezogen, ganze 36 Paar Stiefel schaffte man damals täglich.

1874 kaufte Eduard Lingel das Haus am Herrmannsplatz 5 und erweiterte seinen Werkstattbetrieb. Die Fabrik wuchs, Lingel gab im Jahr 1875 rund 300 Mitarbeitern (einschließlich Heimarbeitern) Beschäftigung. Schon 1876 folgte eine weitere Vergrößerung. Die Wende von der Handarbeit zur mechanischen Schuhfabrikation begann 1877/78. Lingel orientierte sich an amerikanischem Vorbild. Er sandte dazu eigens eine Delegation von Fachleuten nach Amerika, die sich die dortigen modernsten Fertigungstechniken anschauen sollten, um sie später in Thüringen nachzunutzen. 1886 stellten 600 Arbeiter alle Sorten von Schuhen her. Der Lingelsche Verkaufsschlager zu jener Zeit war der Schnürstiefel mit hohem, geschweiftem Schaft und zum Knöpfen. Ein schwerer Schicksalsschlag traf die Firma in der Nacht vom 7. zum 8. Juni 1887. Die gesamten Anlagen am Herrmannsplatz wurden durch ein verheerendes Feuer zerstört. Die Firmenleitung entschied, eine neue Fabrikanlage zu erbauen. Die Wahl fiel auf ein ehemaliges Gärtnereigrundstück am Steiger. Nach langwierigen Verhandlungen mit der Stadt Erfurt konnte der Grund gekauft und schon nach kurzer Zeit mit der Produktion auf dem neuen Gelände in der damaligen Landgrafenstraße begonnen werden.

1898 wurde die Eduard-Lingel-Schuhfabrik in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Bis 1892 arbeiteten 1000 Leute für die Schuhfabrik mit einer Wochenleistung von insgesamt 12000 Paar Stiefel und Schuhen. Den Vorstand bildeten in dieser Zeit die Gebrüder Dreßler, den Vorstandsvorsitz übte Eduard Lingel aus. Um die Jahrhundertwende ging die Lingel-AG dazu über, feinere Schuhwaren und wenig später sogar Spezialschuhe herzustellen, die auch exportiert wurden. Um die Jahrhundertwende war die Belegschaft auf 1300 Beschäftigte angewachsen.

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