Standort Gotha / Station Verlagshaus Justus Perthes
Landkarten dienten seit jeher nicht nur der geographischen Orientierung, sondern waren oft auch edle Kunstwerke. Ein Name steht in Thüringen für die Kunst der Karten und deren Vermarktung: Justus Perthes (1749-1816). Schon seit 1778 wirkte Perthes in Gotha als Teilhaber der Handlungs-Societät des Verlagsbuchhändlers Carl Wilhelm Ettinger. Die Hofbuchhandlung Ettinger verlegte damals verschiedene Zeitschriften und den Gothaer Hofkalender. 1785 trennten sich die Kompagnons und splitteten das Unternehmen. Justus Perthes erhielt den Verlag des schon 1763 begonnenen „Almanach de Gotha“ sowie seines deutschen Gegenstücks, des „Gothaischen Hofkalenders“. Das war die Geburtsstunde des Verlags von Johann Georg Justus Perthes. Sein erster „Gothaischer Hofkalender“ erschien 1786. Diese Art Kalender kam bereits im Zeitalter der Renaissance in Mode. Er wurde ein wichtiges biographisches Nachschlagewerk des europäischen Adels und erschien bis 1944.
Perthes interessierte sich für geographische Karten, 1801 erschien die erste. 1809 realisierte er ein erstes umfangreicheres Kartenwerk mit Johann Heinrich Gottlieb Heusinger aus Dresden. Die Edition floppte. Die Darstellungen waren eher farblos, sehr nüchtern und man verzichtete auf das Einzeichnen von Grenzen. Die heftigste Kritik daran kam von Adolf Stieler (1775-1836), ein Kartographie erfahrener herzoglicher Beamter. Er schlug Perthes einen eigenen umfassenden Hand-Atlas vor. Dieses hehre Ziel wurde erreicht: Insgesamt erschien Stielers Hand-Atlass über 115 Jahre bis nach 1934 in 112 vollständigen Jahresausgaben. „Der Stieler“ erlebte zehn Auflagen.
Justus Perthes konnte den Erfolg nicht mehr erleben, er starb 1816. Sein Sohn Wilhelm (1793-1853) setzte dieses Werk fort. Er nutzte die Atlasausgabe, um dem väterlichen Verlag eine Spezialisierung in Richtung geographisch-kartographische Anstalt zu geben. Mit Wilhelm Perthes begann auch die Entwicklung der Schulkartographie. Schon Stieler hatte einen kleinen Schul-Atlas erarbeitet, der sich sehr gut verkaufte. Die Entwicklung spezieller Schulwandkarten war ein besonderes Verdienst Emil von Sydows. Der Offizier und Geographielehrer aus Erfurt gilt als Begründer der Schulkartographie. Im Jahre 1838 fertigte er die erste Schulwandkarte an.
Auch die nächsten Perthes-Generationen leisteten ihren Anteil an der Ausformung der geographisch-kartographische Anstalt. Sie sollte ein Zentrum der Geographie werden und sich zu einem Podium für Fach-Publikationen entwickeln. Ein wichtiger Schritt dahin war die Gewinnung des Kartographen August Petermann. Er begründete 1855 die Zeitschrift „Petermann’s Geographische Mitteilungen“. Dieses Blatt wurde zu einem weiteren Schwerpunkt der Verlagsarbeit und zur bedeutendsten geographischen Fachzeitschrift. Sie wurde das Publikationsmedium für alle wichtigen geographischen Entdeckungen.
Die Verlegerfamile Perthes führte die Schwerpunkte des Verlags – Kartographie, genealogische Kalender, Petermanns Mitteilungen und Lehrmittel – auch in das neue Jahrhundert. Besondere Spuren in der Geschichte des Hauses Perthes hinterließ seit 1897 der Kartograph Hermann Haack (1872-1966). Haack widmete sich intensiv der Schulkartographie. 1952 erfolgte die Enteignung des Verlages, der unter dem Namen VEB Hermann Haack die DDR-Zeit als Spezialist für die Schulkartographie, geographische und kartographische Literatur sowie für wissenschaftliche Ausbildungsliteratur überdauerte. Nach dem Fall der Mauer gelang Stephan Justus Perthes 1992 die Reprivatisierung des Verlags. Er verkaufte ihn noch 1992, inzwischen ist er im Klett-Verlag auf- und aus Gotha fortgegangen.
Heute erinnert vor allem das Perthes-Forum an die über 200 Wirkungsjahre des Verlags in Gotha. Das Stammhaus des Verlages wurde bereits 1856 errichtet. 1865 schloss man einen Neubau für die Kupferstecher und Kupferdrucker an. 1873 kam das angrenzende Anwesen der Maschinenfabrik Briegleb, Hansen und Co. samt Wohnhaus dazu. Schließlich entstand ein Gebäudekomplex, der den gesamten Prozess vom geistigen Entwurf bis zum gebundenen Atlas, zum fertigen Buch und zur aufgezogenen Wandkarte vor Ort konzentrierte. 18,2 Millionen Euro investierten Bund, Freistaat und Kommune zur Instandsetzung des ehemaligen Verlagsgebäudes. Im Herbst 2015 wurde es als „Perthes-Forum“ eingeweiht. Kernstück des Hauses bildet die Perthes-Sammlung, die aus dem Perthes Verlag hervorgegangen ist und 2003 für die Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt erworben wurde. Neben dieser Sammlung befindet sich im Perthes-Forum auch das Thüringer Staatsarchiv sowie Depot und Werkstätten der Stiftung Schloss Friedenstein.
Literaturtipp zum Thema: Manufakturen Maschinen Manager Band 2
Verlagshaus Justus PerthesJustus-Perthes-Straße 599867 Gotha