Standort Erfurt / Station "Malzwolff" - Erfurter Braumalz ging in die halbe Welt

Tipp 1 - Schuhfabrik Hess

Die Schuhfabrik Hess setzte in Erfurt von Anfang an und mit Erfolg auf eine industrielle Fertigung.

Schuhe von Paul Schäfer kennen die meisten Thüringer noch heute. Sie wurden in großen Stückzahlen von Tausenden Beschäftigten bis zur Wende in Erfurt produziert. Und manch einer erinnert sich sogar noch an die sogenannte Gestattungsproduktion, wo nach Lizenzen der westdeutschen Marke Salamander Damenschuhe in Top-Qualität hergestellt wurden. Die gingen zum einen Teil in den Westen, sie konnte man zu vergleichsweise hohen Preisen aber auch in den Exquisit-Läden erstehen.
Wie auch immer: Der Name Paul Schäfer war bekannt. Kaum einer weiß aber heute noch, dass einst die Schuhfirma M. & L. Hess in Erfurt die Nase vorn hatte. Die Brüder Maier und Louis Hess gründeten um 1879 eine Fabrik, die Schuhe von Anfang an auf maschineller Basis herstellte. Bis 1884 produzierte Hess noch genagelte Schuhe, um danach auch auf genähte Modelle umzustellen. Die Schuhfabrik wurde in einem Gewerbegebiet nahe dem heutigen Hauptbahnhof errichtet. Schon 1900 haben die Eigentümer sie nochmals erweitert. Noch war es durchaus üblich, dass die Fabrikantenfamilie nahe ihrer Fabrik wohnte, wovon die schöne Villa (um 1898) noch heute zeugt. Die eigentliche Fabrikanlage steht direkt daneben und bildet einen Kontrast, der deutlicher nicht ausfallen könnte. Links die verspielte Villa mit vielen neckischen architektonischen Details, rechts daneben der nüchterne Industriebau.
Ab 1915 führte Alfred Hess das Werk. Er machte sich auch als Kunstmäzen einen großen Namen. Während der Weltwirtschaftskrise und der Naziherrschaft durchlebte das von einer jüdischen Familie geführte Unternehmen äußerst dramatische Zeiten. Zwischenzeitlich war die Schuhfabrik zahlungsunfähig. Dann mussten die Nachfahren der Firmengründer emigrieren; sie verkauften notgedrungen ihre Firmenanteile. Nach dem Krieg folgte die Enteignung. Alsbald wurden in der DDR alle Schuhfabriken der Stadt unter einem Dach zusammengeführt. Ab 1953 firmierten sie als VEB Schuhfabrik Paul Schäfer. Die beiden Hess-Objekte wurden später von der DDR-Armee als Verwaltung und als Lager genutzt. Die Villa wird noch immer von der Bundeswehr in Anspruch genommen.

 

Die Fabrikantenvilla befindet sich in der Thälmannstraße,
direkt am Schmidtstädter Knoten. Eine Besichtigung ist nur von außen möglich.
 
 
 
Wissenswertes:

Gute Schuhe aus Erfurt, das war einst ein Begriff. Die Namen Lingel, Hess und später Paul Schäfer standen über viele Jahre für einen prosperierenden Industriezweig, der mit der politischen Wende 1989 weitgehend aus der Thüringer Landeshauptstadt verschwunden ist. In Erfurt gab es bereits 1795 die erste industrielle Schuhfertigung. 1884 waren es 18 Fabriken. In den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts war sogar jeder vierte Erwerbstätige der Stadt in Schuhbetrieben beschäftigt, alles in allem etwa 8500 Personen. Die Erfurter Schuhfabriken verschmolzen zu DDR-Zeiten zum VEB Schuhfabrik Paul Schäfer. Der Betrieb war der größte Schuhproduzent des Landes. Täglich entstanden hier bis zu 27000 Paar.

 
Fabrikantenvilla
Fabrikantenvilla
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