Standort Erfurt / Station Wagenhalle Straßenbahndepot

Mit der Pferdebahn fing alles an

Mit einem Beschluss des Magistrates zur Schaffung einer städtischen Straßenbahn wurde 1882 wurde der Grundstein für den heutigen modernen ÖPNV in Erfurt gelegt. Bereits ein Jahr später ging es mit Pferdestärken auf drei Linien los. Der erste Betreiber war die Firma Marcks & Balke aus Berlin. Sie baute auch das Verwaltungsgebäude in der heutigen Magdeburger Allee. Allerdings gaben sie ihre Konzession schon 1884 an die von privaten Aktionären gegründete Erfurter Straßenbahn AG ab. Als die elektrische Bahn 1894 eingeführt wurde, gab es einen neuen Eigentümer, die Union Elektricitäts-Gesellschaft UEG (1904 mit der AEG fusioniert). Sie gründete zum Betreiben der Bahn bereits 1893 eine Tochtergesellschaft, die Erfurter Elektrische Straßenbahn.

Der Start der Elektrischen erfolgte technisch bescheiden mit 18 Pferdestärken. Das Streckennetz wuchs: Von den anfänglichen 9 Kilometern der Pferdebahn auf zunächst 10,5 mit der elektrischen Bahn. Dabei blieb es natürlich nicht: 1908 gab es inzwischen 4 Linien mit einem Netz von 17,4 Kilometer Länge, ab 1912 wurde mit dem zweigleisigen Ausbau des Streckennetzes begonnen. Ab 1925 nahm man ins Programm der öffentlichen Personentransporte einen neuen Betriebszweig auf: den Omnibusverkehr. Nach zwei Jahren erweiterte man das Angebot durch die Aufnahme von Gesellschaftsreisen per Bus, veranstaltet mit einer Berliner Firma. Der Bus als öffentliches Verkehrsmittel fand regen Zuspruch. 1938 schlug sich diese Angebotserweiterung auch im Namen der Erfurter Gesellschaft nieder, sie hieß ab dann Erfurter Verkehrs-AG (Evag).

Während des Krieges war auch die Straßenbahn zu Sparmaßnahmen gezwungen: Mehrfach mussten 1943 Straßenbahnhaltestellen aufgehoben werden. Auf diese Weise sollte Strom gespart werden. Die Bombardements 1945 brachten Schäden an Gleisanlagen und Fahrleitungen. Der Artilleriebeschuss durch die Amerikaner beschädigte vor allem die im Freien abgestellten Bahnen. Am 11. April 1945 wurde der Straßenbahnverkehr vorerst eingestellt. Stück für Stück nahmen nach Kriegsende die Linien wieder Fahrt auf. 1948 gesellte sich ein weiteres Beförderungsmittel hinzu der Obus. Auch für diese Linien war der Anger der Kreuzungspunkt. Allerdings stellte man die Obus-Linien 1974 wieder ein. 1950 wurde der städtische Nahverkehrsbetrieb den Kommunalen Wirtschaftsunternehmen (KWU) der Stadt Erfurt angegliedert; 1959 dann in einen VEB umgewandelt. Damit war der VEB (K) Erfurter Verkehrsbetriebe entstanden, er hatte als städtisches Unternehmen die Gewinne an die Stadt abzuführen.

Ab 1957 begann eine ständige Modernisierung der Bahnen. Die ersten Gelenktriebwagen mit schwebendem Mittelteil kamen 1959. Auch das Strecken,- Halte- und Endhaltestellennetz wurde ausgebaut. 1964 maß die befahrbare Strecke bereits 25,5 Kilometer und wurde von fünf Linien genutzt. Als 1976 die ersten Tatra-Wagen fuhren, war das Staunen der Fahrgäste groß. Die modernen Züge beförderten nicht nur wesentlich mehr Menschen, sondern glänzten auch mit höheren Geschwindigkeiten. 1988 begann der Bau eines neuen Betriebshofes in Windischholzhausen. Die innerstädtische Anlage war für den stark vergrößerten Fuhrpark nicht mehr ausreichend. Schon 1989 konnten die neuen Anlagen in Betrieb genommen werden, fertiggestellt wurden sie erst nach der Wende. Den Sprung in die Privatwirtschaft schafften die Erfurter Verkehrsbetriebe relativ schnell. Die Gründung der Aktiengesellschaft war schon im Frühjahr 1990 abgeschlossen. Das neue Unternehmen hieß nun Erfurter Verkehrsbetriebe AG und setzt damit die Tradition der Vorgängerunternehmen fort.

Doch nicht nur die Geschichte der Verkehrsmittel ist interessant. Auch die Gebäude gehören zur Historie. So hatte die Einführung des elektrischen Bahnantriebs umfangreiche Erweiterungen und Modernisierungen im Betriebsgelände entlang der heutigen Erfurter Breitscheidstraße zur Folge. Besonders schön im Erhaltungszustand ist das Verwaltungsgebäude Ecke Magdeburger Allee. Wer genau hinschaut, der kann an der Fassade das Baujahr 1883 entziffern. Zur gleichen Zeit entstand das alte Bürogebäude im Hof, es wurde aus gelben Ziegeln gemauert. In der eigentlichen Wagenhalle sind heute ein Schulungszentrum und eine Werkstatt untergebracht. Und es ist das alte Maschinen- und Kesselhaus zu nennen, das um das Jahr 1893 mitsamt Schornstein gemauert wurde.

Doch das Erfurter Straßenbahndepot hat noch einen anderen Schatz zu bieten: den Anger-Turm. Er ist eine ehemalige Verkehrskanzel und damit ein verkehrsgeschichtliches Denkmal. Die fünf Meter hohe Konstruktion besteht aus einer bogenförmigen Treppe, die eine kleine verglaste Wärterkabine trägt. Der Turm wurde 1961 auf dem Anger errichtet und diente der Polizei zur Regelung des Stadtbahn-, Obus- und Pkw-Verkehrs. Eine Mikrofonanlage ermöglichte Lautsprecherdurchsagen. Nach einer Sanierung fand der Turm 2002 auf dem Betriebshof in der Magdeburger Allee einen neuen Standort.

 

Das Straßenbahndepot befindet sich in der Magdeburger Allee von Erfurt, Ecke Breitscheidstraße. Die Gebäude können von außen besichtigt werden. Die EVAG biet gelegentlich Sonderfahrten mit historischen Bahnen an.

 

www.stadtwerke-erfurt.de

 

 

Historisches Straßenbahndepot
Historisches Straßenbahndepot
Fassade
Fassade
Verkehrsturm
Verkehrsturm
Emblem EVAG
Emblem EVAG
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